Der Bürokratieaufwand hat enorm zugenommen, für die Bürger und für die Verwaltung. Vor den Wahlen wird immer wieder versprochen Bürokratie, insbesondere die „unsinnige“ und „sinnlose“ abzubauen. Die Zukunft verheißt nichts Gutes. Mit jedem Dekret und jeder Maßnahme mehren sich die geforderten „Zettel“. Die Bevölkerung, die Wirtschaft und nicht zuletzt die zuständigen Beamten werden damit regelrecht erdrückt. Bereits im Jahr 1999 wusste Sepp Messner Windschnur ein Lied davon zu singen.
Dies vorausgeschickt,
stelle ich an die Landesregierung folgende Fragen:
1. Wurde jemals jemand (Einzelperson, Gruppe, Kommission o.ä.) beauftragt, sich mit dem Thema Bürokratieabbau konkret zu beschäftigen?
2. Wenn ja: was waren die Resultate?
3. Wenn nein: gedenkt die Landesregierung diese einzusetzen?
Bozen, 19.01.2023
Der Landtagsabgeordnete
Josef Unterholzner
Antwort im Plenum am 07.02.2023 vom LH Kompatscher
KOMPATSCHER (Landeshauptmann – SVP): Geschätzter Kollege Unterholzner, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zunächst einmal, wir sind alle beauftragt mit dem Bürokratieabbau. Das ist Aufgabe der gesamten Landesregierung, auch aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von den Führungskräften bis zu den anderen Ebenen. Aber eine Prämisse erlauben Sie mir noch. Die Zunahme, die reale Zunahme an Bürokratie hängt auch zu einem guten Teil damit zusammen, dass die öffentlichen Leistungen zugenommen haben. Bürokratie ist in der Regel, nicht immer, aber in der Regel in den allermeisten Fällen damit verbunden, dass man eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, entweder einen Dienst beantragt, einen Beitrag beantragt, usw. Wenn ich das nicht tue, dann habe ich auch keine Bürokratie. Deshalb ist das Gesamtvolumen durchaus auch darauf zurückzuführen, dass es gestiegen ist, weil ganz einfach die öffentlichen Leistungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten enorm zugenommen haben. Auch das sollte man schon immer vor Augen haben. Natürlich so bald öffentliche Leistungen mit Steuermitteln finanziert werden, geht es um die Frage, zu prüfen, ob diese Person anspruchsberechtigt ist, diese Leistung zu
bekommen. Man muss ja sorgsam mit Steuergeldern umgehen. Das ist dann Bürokratie. Das hat auch viel mit unserem Gerechtigkeitssinn zu tun. Wenn wir eine öffentliche Leistung nicht machen, dann sinkt die Bürokratie.
Genau in diesem Sinne hat der oberste Verantwortliche für die Verwaltung auf der Funktionärsebene, auf der Führungskräfteebene, Generaldirektor Alexander Steiner, vor Jahren bereits ganz klar seine Losung ausgegeben. Das wiederholt er wie ein Mantra bei jedem Führungskräftetreffen, bei jeder Diskussion über Maßnahmen, er nennt das “VVW”, das ist sein Mantra: vereinfachen, verbessern, weglassen. Ganz stark ist die Betonung auf das letzte Element, wir müssen jetzt ohnehin, da wir im Haushalt finanzielle Grenzen haben … Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer Leistungen aufgebaut, immer dazugetan, und wir stoßen auch finanziell an unsere Grenzen. Die Steuern wollen wir ja nicht erhöhen, ganz im Gegenteil, wir haben sie letzthin in einigen Bereichen senken können. Das heißt aber, wir können nicht immer ständig neue Leistungen geben, wir müssen beginnen zu entscheiden, welche wir weglassen. Das
führt auch enorm zu einer Entlastung, aber nicht nur aus dem finanziellen Grund, sondern – und jetzt kommt noch ein ganz wichtiger Aspekt – die Digitalisierung wird uns zwar helfen, Leistungen auch mit weniger Personaleinsatz zu erbringen, aber wir werden in vielen Bereichen nicht umhinkommen, Leistungen zusammenzuführen, zu bündeln, zu vereinfachen, weil wir nicht einmal genügend Personal hätten, diese Leistungen zu erbringen. Der demografische Wandel bringt es mit sich, dass überall Fachkräfte fehlen, auch im öffentlichen Dienst. Unsere Wettbewerbe gehen oft leer aus. Wir besetzen auch ganz bewusst nicht alle in Pension gehenden Mitarbeiter nach. Deshalb ist das allein schon eine Aufgabe. Einige “Milestones” will ich noch nennen. Wir haben, das Projekt der Aufgabenkritik im Jahr 2014 begonnen und abgewickelt. Da ist eine eigene Kommission beauftragt worden, alle Maßnahmen zu überprüfen. Es sind 197 Veränderungs- und Innovationsvorschläge eingegangen, von denen eine Reihe umgesetzt worden sind, einige teilweise umgesetzt worden sind, einige dann, das muss man auch sagen, aber beibehalten wurden. Es war sehr oft der Vorschlag, weglassen. Einiges davon ist auch genau so geschehen. Auch jetzt bei der Haushaltsüberprüfung geht es um das gleiche Thema, zum Teil werden auch wieder die gleichen Themen aufgeworfen werden, zum Teil neue und andere, wo es um das Weglassen geht. Was können wir weglassen?
Ganz wichtig ist der Digitalisierungsprozess, dort gibt es die klare Vorgabe, die Verfahren zu vereinheitlichen, zu standardisieren, auch wenn ich als Bürger das mache, dass immer dasselbe System ist, und dass man nicht wieder neue Abfragen macht. Das ist auch notwendig, damit man eine einheitliche Software-Lösung haben kann. Wir haben zurzeit über 500 verschiedene Beitragsvergabeverfahren. Das kann es nicht sein! Wenn wir die alle digitalisieren, dann können es am Ende 3, 4 – das ist auch klar die Stoßrichtung – Verfahrenstypologien sein, 3, 4 anstelle von 500. Dann fragen wir auch immer dieselben Dinge ab und spätestens nach dem ersten Gesuch haben wir die Daten. Dann können wir uns das sparen. Das ist das Ziel.
Noch zu nennen ist das Landesgesetz Nr. 17/93, hier haben wir 2016 die Verwaltung selbst verpflichtet, Fristen klar einzuhalten. Es gilt standardmäßig 30 Tage für die Bearbeitung des
Verwaltungsverfahrens und die Rückantwort an den Bürger. Es gibt dann Ausnahmen, Bauleitplanverfahren und ähnliches, wo ich zuerst veröffentlichen muss, damit Bürger Stellung nehmen, aber es gibt standardgemäß, das ist neu, diese 30 Tage, eine relativ enge Frist.
Oder zum Beispiel das jüngst erlassene Landesgesetz Nr. 5 vom Juli 21, da waren Sie ja schon mit dabei, hier haben wir auch anerkannt, dass nicht nur die in der Verwaltung bereits befindlichen oder auf italienischem Staatsgebiet erteilten Informationen herangezogen werden können, sondern auch jene der EU, dass die Verwaltung diese direkt einholt und somit den Bürger nicht belästigt damit, dass er selbst irgendwelche Dokumente liefern muss. Also wir haben jede Menge Schritte in diese Richtung gemacht. Wir sind alle verantwortlich, auch wir hier im Landtag beim Definieren der Gesetze. Aber ganz klar, es gibt schon einzelne Funktionen die verantwortlich sind, insbesondere die Generaldirektion, klarerweise, verantwortlich für Personal, IT, gemeinsam mit dem Generalsekretär für das Verwaltungsverfahren, wo es dann auch die Spitzenverantwortlichkeit gibt.
Replik bzw. Zusatzfrage vom Abg. Unterholzner
UNTERHOLZNER (ENZIAN): Danke, Herr Landeshauptmann.
Wenn man Ihnen so zuhört, dann sind die Ansätze begrüßenswert. Hier. Aber in der Umsetzung geht es meistens in die verkehrte Richtung. Es wäre ja gut – und das haben Sie in Ihrer Haushaltsrede gesagt, weniger ist mehr – wenn wir viele Sachen streichen würden, und ich glaube wahrscheinlich die gesamte Wirtschaft und alle Bürger würden Ihnen zustimmen, wenn Sie von über 500 Beitragsgesuche zwei Drittel streichen würden. Ganz viele Beiträge verursachen mehr Aufwand, als sie schlussendlich bringen. Sehr viele. Wir alle sind davon überzeugt. Wie
Sie richtigerweise sagen, wir alle sind verantwortlich. Da muss man aber ansetzt, da muss man tatsächlich ansetzen! Auch diese Woche mit diesem neuen Gesetz wieder, … Können wir hier nicht beschließen, bevor wir ein neues Gesetz machen, schaffen wir drei Gesetze ab? Das wäre der richtige Ansatz. Bevor wir eine neue Kommission gründen, schaffen wir 3 Kommissionen ab. Dann würden wir etwas erreichen. Alle Bürger, und ich bin davon überzeugt, alle Bürger wären dem Landtag und Ihnen, Herr Landeshauptmann, dankbar.